Miró, Joan
* 20.4.1893 in Montroig bei Barcelona
Bei Miró pflegt man an einen humorvollen, heiteren Künstler zu denken; doch liegt in dieser Persönlichkeit weit mehr. In jeder vollständigen Übersicht seines OEuvre muß man auch Werke wie etwa jene surrealistischen Bilder aus den 30er Jahren und Arbeiten aus anderen Perioden berücksichtigen, in denen Mirós Menschen- und Naturbild von Angst und Aggression bestimmt wird. Die oben erwähnte weitverbreitete Ansicht von seiner Kunst erklärt sich vielfach aus der kindlich anmutenden Einfachheit der Formen, aus der Reinheit und Intensität seiner Farben.
Mit 14 Jahren begann Miró sein Kunststudium in Barcelona an der Kunstschule, wo er drei Jahre blieb. Besonders stark wurde er von seinem Lehrer Modesto Urgell (1839-1919) beeindruckt. 1910 verließ er die Schule. 1912 trat er in die Akademie Galí in Barcelona ein, wo er bis 1915 blieb.
Danach begann Miró selbständig zu malen. Diese frühen Werke zeigen, daß er sich bis zu einem gewissen Grade der Existenz des Fauvismus und vielleicht auch des Kubismus bewußt war; stärker allerdings dürfte wohl der Einfluß von Vincent van Gogh gewesen sein. Im Bildnis E. C. Ricart (Chicago) von 1917 liegt der Akzent auf Farbgebung und Farbkontrast, obschon auch die Form eine bemerkenswerte Festigkeit aufweist und das ganze Werk große Sicherheit bezeugt. Anregungen von Matisse und Malern des Kubismus finden sich auch in dem Bild Stehende nackte Frau (New York) von 1918. Der verhältnismäßig große Erfolg einer Ausstellung, die 1919 in Barcelona stattfand, ermutigte ihn, Paris zu besuchen. Einer der ersten Menschen, die er dort aufsuchte, war Picasso, der auf Mirós Schaffen einen unbestreitbaren, wenn auch nicht spezifischen Einfluß gewann. Durch Picasso wurde Miró auf den Zöllner Henri Rousseau aufmerksam. Einflüsse beider zeigen Gemälde wie Der Olivenhain (Chicago) von 1919 mit der strengen geometrischen Komposition und naiven Unmittelbarkeit. Stärker vom Kubismus beeinflußt ist Der Tisch: Stilleben mit Kaninchen (Zürich) von 1920, bei dem der verflachte Bildraum und die ebenmäßig modellierten Flächen ins Auge fallen. Dieses Bild verrät schon eine sehr persönliche Interpretation des Kubismus. Eines seiner bekanntesten frühen Gemälde ist Der Bauernhof (New York) aus den Jahren 1921-22. Es schließt eine Epoche in Mirós OEuvre ab und nimmt gleichzeitig in verschiedener Hinsicht Das bestellte Feld (Radnor) von 1923-24 vorweg, das bereits an der Schwelle seines reifen Stiles steht: Es zeigt die gleiche genaue Skizzierung der Form, aber neben der Spontaneität auch phantastische, willkürliche und poetische Elemente. Dieser poetische Zug wurde immer mehr ein Charakteristikum seiner Kunst.
Miró selbst sagte, daß viele jener Werke auf Träume und Halluzinationen zurückgingen; diese Behauptung wird durch die Heiterkeit, die Laune und Phantasiefülle der Bilder bestätigt. Die Farben sind noch nicht so rein und die schwebenden biomorphen Formen noch nicht so locker wie in den späteren Werken, aber das erste Bindeglied zum Miró-»Image« ist hergestellt.
Seine Entwicklung vollzog sich durch den Einfluß von Arp und Klee; ferner war das Erlebnis des Surrealismus entscheidend - besonders schätzte er die Dichter dieser Bewegung. Die Bedeutung der Träume war ein wesentlicher Bestandteil der surrealistischen Doktrin und tritt in Werken wie Karneval der Harlekine deutlich ins Bild.
Miró zählte plötzlich zur wandlungsfähigen Avantgarde. 1925 malte er bereits in einer völlig anderen Manier. Seine neuen Arbeiten zeigen nun statt der vielen kleinen und sorgfältig gezeichneten Bildteile nur noch spärliche malerisch aufgefaßte Formen, die gewöhnlich in hohem Grade abstrakt sind. Der Maler sagte selber, er habe diese Werke ohne vorgefaßte Idee begonnen, indem er sie lediglich sich von selbst entwickeln ließ; damit nahm er viele Züge der Malerei nach dem Zweiten Weltkrieg vorweg.
1928 kehrte Miró zu einer strenger verstandenen und klarer bestimmten Malweise zurück: es entstand eine Reihe von Holländischen Interieurs als Ergebnis einer Reise in die Niederlande während desselben Jahres; dabei wurde er von holländischen Malern des 17. Jahrhunderts stark beeindruckt.
Von den Werken der 30er Jahre läßt sich allgemein sagen, daß ihnen die frühere Heiterkeit und Unschuld fehlen, an deren Stelle nun Angst und Aggression treten. Die Bilder aus jener Zeit sind durch eine Atmosphäre des Metamorphismus charakterisiert. Das beruht einesteils auf dem künstlerischen Automatismus Mirós und andernteils auf der Verwendung von Collagen als Ausgang für weitere Bilder. Das metamorphische Element tritt besonders stark in Mann, Frau und Kind (Philadelphia) von 1931 hervor. Mit diesem Metamorphismus ist oft ein beträchtlicher bildlicher Doppelsinn gekoppelt, das heißt, eine Form kann auf verschiedene Weise gedeutet werden. Mehrdeutigkeit und Transformation bilden sich oft um ein sexuelles Thema. Ein Werk, in dem die meisten Elemente zu finden sind, ist die Komposition (New York) von 1933: Weiche, dunkel beleuchtete Formen kontrastieren mit helleren Flächen. Dieses Bild gehört zu jenen Werken, die sich gegen die allgemeine aggressive Bilderwelt der 30er Jahre sperrten, der sich hingegen Kopf eines Mannes (New York) von 1935 als eine wilde, geängstigte Erscheinung von großer Eindringlichkeit einfügte. Außer Collagen schuf Miró damals auch eine Anzahl »objets« - viele von ihnen verraten ein typisch surrealistisches »Unbehagen«. Die Gemälde von 1935-36 sind trotz ihrer hellen Farben von einer Vorahnung kommenden Grauens überschattet. Die finstere Vorahnung wurde Wirklichkeit: Bilder wie das heute verschollene Wandgemälde Der Schnitter, das er für den Spanischen Pavillon der Pariser Weltausstellung schuf, und Stilleben mit altem Schuh (New Canaan) aus dem Jahre 1937 drücken Mirós Seelenqual wegen des Spanischen Bürgerkrieges aus. In dem grellen Realismus und gezielten Symbolismus des Stillebens lassen sich Anregungen Dalis erkennen. Obgleich Miró nun schon ein profilierter Künstler war, stand er immer wieder unter gewissen Einflüssen, die beispielsweise 1935-36 von Tanguy ausgingen.
1938 scheint Mirós Stimmung zunächst weniger düster gewesen zu sein. Doch später kehrte er in dem furchterregenden Kopf einer Frau (Los Angeles) zum Grotesken zurück. Der Zweite Weltkrieg spiegelte sich in Mirós OEuvre nicht. Der Künstler zog von Paris nach Varengeville-sur-Mer und dann nach Palma di Mallorca. Aus einem neuen Interesse für Musik entstand die Gouachenreihe Konstellationen. Diese Werke, die zu seinen besten Leistungen zählen, kennzeichnet eine große Zahl kleiner abstrakter und symbolischer Formen, die von dünnen Linien eingefaßt sind. Mit den Konstellationen eröffnete Miró eine neue Phase seiner Kunst: formale Leichtigkeit und dekorative Möglichkeit spielen seitdem eine Hauptrolle.
Dass Mirós Werken seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges eine gewisse Spannung fehlt, liegt höchstwahrscheinlich daran, daß er sich auch auf anderen Gebieten betätigte, vor allem in der Keramik; er schuf einfache Töpfe, aber auch 1955-58 die große Wand im UNESCO-Gebäude zu Paris.
Stets enthielt Mirós Kunst das Element des Kindlichen, das jetzt durch eine klare reine Farbgebung zur Eigenständigkeit gelangte. Viele Bilder aus jenen Jahren, die unschuldsvoll und lyrisch wirken, erscheinen auch oberflächlich und dekorativ. Miró verabscheut die reine Abstraktion und beharrt auf einem Sinngehalt in seinen Werken. Sein Einfluß auf Ursprung und Entwicklung des abstrakten Expressionismus - »action painting« - in den Vereinigten Staaten wird allgemein anerkannt; hier zeigt sich wieder einmal, wie vieldeutig die Querströmungen in der Kunstgeschichte sind. Der Auftrag, die monumentale Keramikwand für die UNESCO zu schaffen, war eine öffentliche Anerkennung seines hohen Ranges in der modernen Malerei - die Ausführung stellt eine hervorragende Leistung Mirós dar.
[Künstlerlexikon: Miró, Joan, S. 7. Digitale Bibliothek Band 22: Kindlers Malerei-Lexikon, S. 6517 (vgl. KML Bd. 4, S. 434)]
Diese Werke (siehe Abbildungen) sind zur Zeit in unserer Galerie und deshalb sofort lieferbar:
- Farblithographie V aus Lithographie IV, 1981, 32 x 24 cm
- Farblithographie II aus Lithographie IV, 1981, 32 x 24 cm
- Farblithographie II aus Lithographie I, 1972, 32 x 24 cm "Der Zornige"
- Farblithographie VI aus Lithographie I, 1972, 32 x 24 cm "Die Tanzenden"
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